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Gegen Aggressionen die Seele frei schreien
Von Arne Schenk [13.11.2006, 14.48 Uhr]

Nein, eine Ärzte-Coverband ist „Anachronismus“ aus Jülich schon lange nicht mehr, auch wenn diese Assoziation immer noch nachwirkt. „Höre ich total oft. Dann sage ich: Jo!“, resümiert Schlagzeuger Dennis Wohlgemuth. Früher habe er darauf immer geantwortet: „Ja, zum Warmspielen.“ Mittlerweile reagiert er einfach resigniert: „Wir sind die Ärzte-Cover-Band, ist schon okay.“

Was bedeutet schon Zeit?: Anachronismus

Was bedeutet schon Zeit?: Anachronismus

Dabei haben sie sich in den vier Jahren seit ihrer Gründung in völlig anderer Richtungen weiterentwickelt. „Das fing langsam an mit einer Waliser Band, ‚Bullet for my Valentine’“, erzählt Dennis. „Der Sound hat mich faszinierend, und das Schlagzeug war auch so, wie ich das noch nie kennengelernt habe. Und dann hat man angefangen, darüber nachzudenken: Wie ist das, wenn ich so ein bisschen Double-Bass mit einbringe, wenn ich vielleicht noch härter spiele? So ein paar Tom-Läufe, die total außergewöhnlich waren, vom Ärzte-Style jetzt mal abgehoben.“
Der Umgang mit Sounds prägte Dennis auch in einem anderen Zusammenhang. Nach drei Proberaumwechsel sind sie auf ihrer Endstation angekommen. Mit einem befreundeten Mitmusiker, Lars von den „Vollen Hosen“ wurde eine Aufnahmestation angeschafft. Ein weiterer Musiker, Martin Pawlak, und Dennis zogen eine Trennwand, legten neue Teppiche aus und übernahmen die Raumplanung. Damit wurde nicht nur die Proberaumsituation verbessert, sondern auch ein Aufnahmestudio geschaffen, dass auch andere Bands anmieten können. Allerdings befindet sich das Projekt noch im Probestadium. Anachronismus absolviert einen Vortest, „aber wir wollen dadurch auch schon eine Art Album aufnehmen“. Vier Lieder sind bereits im Kasten. Eine Deadline für die Veröffentlichung gibt es noch nicht.
Auf jeden Fall besteht das Repertoire weiterhin aus einem Mix zwischen deutschen und englisch-sprachigen Texte. Könnte man die älteren deutschsprachigen nicht rauswerfen? „Niemals!“, entgegnet Fogs entrüstet und erhält Unterstützung von Dennis: „Auf keinen Fall. Die haben wir zu sehr ins Herz geschlossen. Da sind auch schon ein Hammerknaller bei.“
Da geht es unter anderem um die Verarbeitung von Liebeskummer in „Drama“: „Ich wünsche mir, niemals geboren zu sein. Ich wünsche mir, dich niemals kennengelernt zu haben.“ „Das war eines unserer ersten Lieder, und wir wussten direkt, das wird ein Smash-Hit“, bezeugt Kuba. „Das geht schon in Richtung Hymne.“ Der Song war in einer Zeit entstanden, als er sich dreckig fühlte. Wenn er sich in einer ähnlichen Situation befindet, gröhlt er das Lied und fühlt sich direkt besser.
„Born to kill“ hat ebenfalls trotz seines englischen Titels einen deutschen Text: „Ich will dich sterben sehn, ich will dich leiden sehn, erst wenn du nicht mehr weißt, wie du heißt, erst wenn du Gnade schreist, fühle ich die Befriedigung.“ „Wenn ich es spreche, hört es sich viel brutaler an“, räumt Kuba ein. „Das basiert nicht auf Fakten. Ich hatte nur im Unterricht ein paar Song-Ideen. Nicht dass man denkt, ich wäre ein schlimmer Mensch. Wenn man Aggressionen hat, kann man das aus sich herausschreien und man fühlt sich besser. So geht es mir jedenfalls danach.“

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Dennis Wohlgemuth, Jakub Mrotzek, Patrick Minkus

Dennis Wohlgemuth, Jakub Mrotzek, Patrick Minkus

„Von den neuen Stücken ist eins relativ hart, das andere wiederum etwas im Green-Day-Style gehalten, Punk-Rock, aber doch melodisch“, erklärt Gitarrist Kuba. Im Gegensatz zu früher seien die Stücke reifer geworden. „Nicht alle. Ein paar vielleicht“, widerspricht Bassist Fogs. „Welches meinst Du denn?“ „Leech, zum Beispiel“, ertönt postwendend die Antwort. „Das liegt unter anderem daran, dass es jetzt zwei neue englische Songs gibt“, konkretisiert Patrick „Fogs“ Minkus, „früher haben wir nur Deutsch-Rock gespielt, nur deutsche Texte gesungen.“ Verantwortlich dafür war Jakub „Kuba“ Mrotzek.
Dann kam Dennis Wohlgemuth nach einem Amerikaauftenhalt mit dem ersten englischsprachigen Song an, „It’s not a shame“: „Das waren eigentlich mehr Textfragmente, die habe ich Kuba in die Hand gedrückt.“ Mit der knappen Aufforderung: „Hier.“ Kuba hat dann ein Konzept daraus gemacht und natürlich die Musik dazu geschrieben, die laut Aussage von Dennis „vielleicht nicht außergewöhnlich ist, aber cool rüber kommt, weil man diese Musik nicht zu diesem Text erwartet“. Kuba bekräftigt: „Für Fogs ist das jetzt ne Überraschung, aber der Text hat wirklich einen Sinn. Da werden nicht einfach auf englisch Wörter aneinandergereiht.“ Worauf der Angesprochene zum allgemeinen Gelächter gesteht: „Ich habe zwei Jahre geglaubt, dass ‚shame’ ‚Schamhaar’ heißt.
Der gemeinsame Nenner, auf den die Songs gebracht werden müssen: „Es muss auf jeden Fall rocken. Das können schon mal Balladen sein. Aber sie müssen eine Art emotionalen Hintergrund haben, wo man auch mal die Seele frei schreien kann, in so einem kleinen Zwischenstück zum Beispiel.“
Dafür tut sich Anachronismus in Sachen Konzerte eher schwer: „Wir sind nicht gerade die ambitioniertesten Leute, wenn’s um Musikveranstaltungen geht“, betont Dennis. „Wir brauchen einen Manager“, ergänzt Patrick. „Wir bräuchten einen, der sagt, ihr seid die Richtigen, und hier die Tour“, fasst Dennis es zusammen. Dennoch hat die Combo mittlerweile 15 Auftritte absolviert. Ein weiteres steht bereits fest: Als Vorgruppe der „Creetins“ und mit „Left right here“ im Kulturbahnhof am Samstag, 18. November, 20 Uhr. „Von dem Auftritt verspreche ich mir, dass die Leute unseren Namen nicht vergessen. Dass die sagen: Letzte Woche habe ich eine Super-Band gesehen, Anachronismus heißen die“, konstatiert Fogs. „Viele Leute, die das hören, schauen natürlich zuerst einmal im Internet nach. Wer sind die? Was ist das für ein komischer Name? So wird man halt bekannt.“

Anachronismus: gegründet Dezember 2002
Besetzung:
Jakub „Kuba“ Mrotzek – Gitarre, Gesang;
Patrick „Fogs“ Minkus – Bass, Gesang;
Dennis Wohlgemuth – Schlagzeug, Gesang.
www.anachronismus.de.vu


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